a223 - Raufußkauz (Aegolius funereus) | VSG-Arten in RLP

Steckbrief zur Art A223 der Vogelschutz-Richtlinie

Raufußkauz (Aegolius funereus)

Status und Häufigkeit:

Anhang I Gefährdeter Durchzügler Rote Liste D (2015) Rote Liste RLP (2014) Erhaltungszustand
x - * *
Status RLP Bestand D Bestand RLP Bestandsentwicklung RLP
Regelmäßiger Brutvogel; Jahresvogel 3.400 – 6.000 Brutpaare 50 - 120 Brutpaare stark schwankend

Kennzeichen:

Länge 24 – 26 cm. Ziemlich kleine Eule mit kennzeichnend großäugigem, „erstauntem“ Gesichtsausdruck (kommt zustande durch die starrenden, hellgelben, schwarz umrandeten Augen im großen, markanten Schleier). Oberflächliche Ähnlichkeit besteht mit den (etwas kleineren) dunkleren Steinkauzformen, wenn das Gesicht nicht zu sehen ist (sind ebenfalls oberseits weiß gefleckt und unterseits dunkel gezeichnet). Der Raufußkauz ist jedoch ausgeprägter nachtaktiv und normalerweise nie im gleichen Lebensraum wie der Steinkauz anzutreffen. Verwechslung adulter Raufußkäuze mit dem deutlich kleineren Sperlingskauz nur bei schlechter Sicht wahrscheinlich. Flug schnell und geradlinig, rasche Schlagphasen wechseln mit kurzen Gleitphasen, aber weniger wellenförmig als beim Steinkauz (eher waldkauzähnlich, aber wendiger). Sehr unauffällig, sitzt kaum exponiert auf Warten. Nistet meist in Schwarzspechthöhlen (häufig auch in Nistkästen). Frisch ausgeflogene junge Raufußkäuze sind in ihrem überwiegend schokoladebraunen Gefieder mit Weiß auf Brauen, unteren Wangen, Flügel- und Schwanzdeckung beschränkt, einzigartig und unverwechselbar. Immature Vögel sehr ähnlich den Altvögeln, sind nicht leicht zu unterscheiden, oberseits aber wärmer getönt (mehr rostbraun), weiße Flecken kleiner, unterseits kräftiger gezeichnet. Balzgesang des Männchens sehr kennzeichnend weich, aber recht weittragend, tief, pfeifend, zum Ende hin anschwellend „bu-bu-bu-bu-bu-bu-bu“ (Dauer 1 – 5 oder mehr Sekunden, besteht aus bis zu zwanzig oder mehr Silben, meist nur 5 – 7, viele Abwandlungen der Höhe und des Tempos; tiefere Töne langsamer, höhere schneller). Das Weibchen ruft nasal „küwäik“ und (besonders im Spätsommer und Herbst) kurz, schnalzend (eichhörnchenähnlich) „tschjäck“. Bettelruf der Juv. kurz, heiser, berstend „psie“.

Lebensraum:

In Mitteleuropa Brutvogel in montanen oder subalpinen Gebieten, aber auch in der Tiefebene, in abgeschiedenen, unterholzarmen Nadelwald-Altholzbeständen und in Buchenwäldern. Gilt vielerorts als Leitart für montane Buchenwälder. Wichtig sind der Anteil an Schwarzspechthöhlen, aber auch das Vorhandensein von offenen und mäusereichen Gebieten (Windwurfflächen, Kahlflächen, Graswege, Lichtungen, Schneisen, Waldwiesen und -ränder) sowie außerdem Jungwald und Dickungen, die als Tagesruheplätze, aber auch Jagdplatz genutzt werden. Weiterhin ist Großflächigkeit bedeutsam, die ein geklumptes Siedeln ermöglicht (s. u.). Fichtenwälder werden vor allem wegen der hier angebrachten Nistkästen bewohnt, aber auch als Schlafplatz und Jagdgebiete genutzt.

Biologie und Ökologie:

In den zentralen Bereichen von geschlossenen Waldbeständen nimmt die Dichte des Waldkauzes, eines der Hauptfeinde des Raufußkauzes, ab, so dass hier eher die Raufußkäuze siedeln können. Typischerweise sind die Brutplätze nicht gleichmäßig über die Fläche verteilt, sondern inselartig geklumpt, so dass mehrere Bruten auf engem Raum zu finden sind. Es kann sich bei enger Brutnachbarschaft sowohl um Fälle von Bigynie handeln, in denen ein Männchen gleichzeitig zwei Weibchen betreut und versorgt, als auch um Schachtelbruten eines Weibchens mit verschiedenen Männchen (Biandrie). 

Die Hauptbalzzeit wird für März/April angegeben, aber in milden und nahrungsreichen Wintern wird hier schon im Januar intensiv gesungen, in manchen Jahren dagegen fast kein Gesang hervorgebracht. In Gradationsjahren der Rötelmaus ist eine starke Reproduktion zu beobachten, z. T. mit geschachtelten Zweitbruten. Die 3 – 6 (bis zu 8) Eier werden 26 – 28 Tage lang bebrütet. 

Die Nestlingszeit dauert 29 – 36 Tage, nach ca. 35 Tagen sind die Jungen flugfähig, nach 10 – 12 Wochen lösen sich die Familien auf. Die Jagd nach Kleinsäugern und Singvögeln findet nachts von Warten aus statt. Die Nahrung besteht vor allem aus Kleinsäugern, sekundär auch Vögeln. In Mitteleuropa sind Altvögel Standvögel und meist ganzjährig orts- oder sogar reviertreu, während in Nordeuropa ein höherer Anteil Zugvögel ist; auch Nomadismus. Jungvögel (sowie ein Teil der Weibchen) mit größeren Dispersionswanderungen und Abwanderungen nach Gradationsjahren.

Verbreitung in Rheinland-Pfalz:

Der Raufußkauz gilt als typischer Bewohner des nördlichen Nadelwaldes und ist in fünf Unterarten zirkumpolar holarktisch in der borealen und gebietsweise gemäßigten Zone verbreitet, ferner gibt es einige isolierte Gebirgspopulationen (z. B. Kaukasus und West-Himalaya sowie West-, Mittel- und Südeuropa; eiszeitliche Relikte). In Europa brütet die Nominatform mit Schwerpunkten in Fennoskandien, Baltikum und Russland, Vorkommen in fast allen Ländern Mitteleuropas. In Rheinland-Pfalz tritt die Art in allen höheren Mittelgebirgen auf.

Gefährdungen:

  • Lebensraum- und Brutplatzverlust durch waldbauliche Maßnahmen (großflächiger Einschlag bzw. Windwurf von Altholzbeständen, kurze Umtriebszeiten, Verlust der Höhlenbäume, Zerschneidung durch Straßen- und Wegebau). Verinselung der Standorte durch Habitatzersplitterung (z. B. nach Straßenbaumaßnahmen) wirkt sich langfristig negativ auf die Vitalität der Populationen aus;
  • Brutausfälle durch nasskalte Witterung im Spätwinter und zur Brutzeit – durch Beeinträchtigung des Jagderfolges und Verknappung des Kleinsäugerangebots sowie Verklammung der Nestlinge und Wassereinbruch;
  • Brutaufgabe oder -verlust nach Störungen und Beunruhigung;
  • Prädation durch Marder und Waldkauz, zuweilen auch Eichhörnchen, Habicht, Uhu etc.;
  • Interspezifische Konkurrenz und Prädation (z. B. Waldkauz).

Empfehlungen zum Schutz und zur Förderung der Art:

  • Erhaltung und Entwicklung von großflächigen, reich gegliederten störungsarmen Altholzbeständen sowie eines ausreichenden Netzes an Höhlenbäumen (insbesondere Altbuchen);
  • Vermeidung der Zerschneidung naturnaher Waldflächen;
  • Anlegung eines Bruthöhlenkatasters und Information der Forstverwaltung;
  • Schutz der Höhlenbäume (insbesondere Altbuchen) und Sicherung eines ausreichenden Netzes an Höhlenbäumen; bei Mangel an Höhlenbäumen auch Erhaltung von Starkbäumen mit Schwarzspecht-Höhlen;
  • In höhlenarmen Gebieten Einsatz von Nisthilfen mit Mardersicherung.

Literatur:

Bauer, H.-G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Mitteleuropas – Bestand und Gefährdung. – Aula-Verlag, Wiesbaden.

Bauer, H.-G., Berthold, P., Boye, P., Knief, W., Südbeck, P. & K. Witt (2002): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands (3. überarb. Fassung, 8.5.2002). – Berichte zum Vogelschutz 39: 13-60, Nürnberg.

Bay. Landesamt für Umweltschutz: Erhaltungsziele für die Arten der VS-RL: Raufußkauz – Aegolius funereus.

Beaman, M. & S. Madge (1998): Handbuch der Vogelbestimmung: Europa und Westpalaearktis. – Ulmer Verlag, Stuttgart.

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas – Nonpasseriformes. – Aula-Verlag, Wies­ba­den.

Bezzel, E. (1995): BLV-Handbuch Vögel. – BLV, München.

Bosselmann, J. (2000): Die Vogelwelt in Rheinland-Pfalz – Watvögel bis Spechte. – Pflanzen und Tiere in Rheinland-Pfalz, Sonderheft V. – Mayen.

Braun, M., Kunz, A. & L. Simon (im Druck): Rote Liste der Vögel in Rheinland-Pfalz.

Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. – IHW, Eching.

Kunz, A. & C. Dietzen (2002): Die Vögel in Rheinland-Pfalz eine aktuelle Artenliste (Stand 01.12.2002). – Fauna Flora Rheinland-Pfalz, Beiheft 28: 207-221, Landau.

Kunz, A. & L. Simon (1987): Die Vögel in Rheinland-Pfalz – Eine Übersicht. – Naturschutz und Ornithologie in Rheinland-Pfalz 4, 3: 353-657, Landau.

Mebs, T. & W. Scherzinger (2000): Die Eulen Europas. Biologie, Kennzeichen, Bestände. – Kosmos, Stuttgart.

Scherzinger, W. (1981): Vorkommen und Gefährdung der 4 kleinen Eulenarten in Mitteleuropa. – Ökol. Vögel 3, Sonderheft: 283-292.

Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland (2002): Artensteckbriefe zu den Zielarten der Vogelschutzrichtlinie. – Frankfurt/M.

Veit, W. (1995): Raufußkauz – Aegolius funereus. – In: Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (Hrsg.) (1993-2000): Avifauna von Hessen.

Stand: 17.02.2016